SCHWIMMENDE KLEINSTADT MSC EURIBIA: AUF HOHER SEE UND ZWISCHEN DEN WELTEN

Kreuzfahrten sind nur etwas für Pensionisten? Von wegen, zeigt die Fahrt mit der MSC Euribia, mehr schwimmende Kleinstadt denn Schiff. Von Hamburg aus geht es durch den Ärmelkanal nach Le Havre und Southampton.

Hin und her. Die Kleiderbügel klappern im Schrank. Hin und her. Der Kaffee schwappt in der Tasse. Hin und her. Kaum abgelegt, ist es da, dieses sanfte Schaukeln. Auch bei ruhigem Wellengang. Ein ständiger Begleiter, erst ungewohnt, bald vertraut, nie wirklich unangenehm. Willkommen auf der MSC Euribia, die mehr wie eine schwimmende Kleinstadt wirkt als das, was sich viele gemeinhin unter einem Schiff vorstellen – 331 Meter lang, knapp 74 Meter hoch, für mehr als 6000 Passagiere. Von Hamburg aus geht es in fünf Tagen durch die Nordsee, in die großen Häfen im Ärmelkanal und wieder zurück – eine Reise auf offenem Meer, zu beeindruckenden Naturwundern, Kulturgütern und zwischen der Welt an Bord und jener an Land.

Die Euribia legt am späten Abend ab. Am ersten Tag tuckert sie mit 22 Knoten, oder 40,7 Stundenkilometern, über die See, vorbei an unzähligen Bohrinseln und großen Frachtern. Wem dieser Anblick schnell fad wird, der kann sich bei einem der Angebote auf den 15 Decks austoben – Bars, Restaurants, Konzerte, Fitness-Programm, Yoga-Stunden, ein Serviettenfaltkurs. Eine kleine Einkaufsstraße lädt zum Flanieren ein. Diese Kreuzfahrt ist ausgebucht, dementsprechend gut besucht ist die öffentliche Fläche von insgesamt 35.000 Quadratmetern oder umgerechnet fünf Fußballfeldern. In Großbritannien und einigen deutschen Bundesländern sind Schulferien, viele Familien tummeln sich in den Gängen, ein Drittel aller Gäste sind Kinder.

Anna Werner gestaltet diesen Trubel mit, von der Betreuung für die Kleinen bis zur Unterhaltung für die Großen. Sie lebt das und liebt es manchmal auch. Anders ist kaum zu erklären, dass die 52-Jährige bereits seit fast 24 Jahren für die Kreuzfahrtschiffe von MSC arbeitet, seit 2009 als so genannte Cruise-Direktorin – und derzeit eben diese Aufgabe auf der Euribia innehat. „Mein Tag beginnt am frühen Morgen im Büro“, sagt sie. „Die Shows, die Big Band, das gesamte Programm – das läuft alles bei mir zusammen.“ Und müsse dementsprechend organisiert werden. Vieles sei lang im Voraus festgelegt, auch das, was die 130 ihr unterstellten Musiker, Artisten, Techniker wann und wo zu tun haben.

„Aber es gilt dann auch, spontan auf Wünsche zu reagieren. Deutschsprachige Passagiere sind zufrieden, wenn alles läuft wie geplant. Italiener oder Spanier wollen von früh bis spät bespaßt werden.“

Werner, eine adrette Frau, ständig unter Strom, hat in ihrer Zeit auf See schon alles Mögliche erlebt. „Da waren Millionäre an Bord, aber auch Menschen, die für den Trip ihre Versicherung gekündigt, das Auto verkauft, alle Ersparnisse aufgewendet haben.“ Kreuzfahrten seien inzwischen erschwinglicher geworden. „Diese Reise, die wir jetzt machen, würde ich Familien empfehlen und Leuten, die gerne viele andere Menschen um sich haben.“

Endlich Land in Sicht. Anlegen in Le Havre, im zweitgrößten Hafen Frankreichs. Wie bei jeder Schifffahrt können auch hier Ausflüge gebucht werden. Nach Paris, zur Klosterinsel Mont-Saint-Michel oder nach Etretat. Letzteres ist ein kleines Fischerdorf, das Maler wie Monet zu ihren Kunstwerken inspirierte. Von der Ursprünglichkeit blieb wenig übrig, Touristenmassen haben die Schönheit der nahe gelegenen Alabasterküste entdeckt. Die Wellen prasseln an den Kieselstrand, vier Fischer stehen dort und nehmen den Fang des Tages aus. In zehn bis 15 Minuten kann die Spitze der beeindruckenden Steilklippen erreicht werden. Von dort öffnet sich der Blick auf drei markante Felsbögen.

Zwei Stunden Bummeln später geht es zurück, nach Le Havre, einer Stadt an der Mündung der Seine in den Ärmelkanal, die im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört und in den Jahren danach auf Grundlage von Plänen des Architekten Auguste Perret wieder aufgebaut wurde. Die breiten Boulevards sind gesäumt von Häusern aus farbigem Beton. Ein einzigartiges Ensemble, das zum Unesco-Welterbe zählt.

Wieder an Bord, wartet das Abendessen in einem der elf Lokale, danach vielleicht ein Glas Wein oder eine heiße Schokolade an den zahllosen Bars. Im schiffseigenen Theater, das 659 Zuschauer fasst, treten vor gut gefüllten Reihen zu später Stunde zwei Magier auf. Etwas ruhiger geht es im Yacht Club zu, dem Nobel-Angebot von MSC Cruises. „Den Luxus, den wir hier bieten, finden Sie auf keinem anderen deutschen Schiff dieser Klasse“, sagt Murat Sengul, der Direktor dieser exklusiven Einrichtung. Der Bereich ist komplett abgetrennt, inklusive eigenem Pool, Liegebereich, Restaurant und großer Lounge. Die Ruhe kostet aber auch extra, das leisten sich meist nur die betuchteren Kreuzfahrer.

Den Hafen von Le Havre im Blick, werden die Gardinen der Kabine kurz vor dem Zu-Bett-Gehen geschlossen, am nächsten Morgen ist aus demselben Fenster Southampton zu sehen. Es müssen auch diese Momente sein, warum Menschen Kreuzfahrten buchen. In einer Nacht, im Schlaf von Frankreich nach England. Die Ausflüge führen an diesem Tag nach London, zum Schloss Windsor oder in das beschauliche Winchester – während des 10. und frühen 11. Jahrhunderts noch Königsstadt, inzwischen britische Bilderbuch-Provinz.

Von den metropolitanen Zeiten zeugen nur noch einige wenige Bauten. Dazu gehört die beeindruckende Kathedrale, eine der größten auf der Insel und die zweitlängste Europas. Das Zentrum des 40.000-Einwohner-Ortes lädt zum Umherschlendern ein. Im „Royal Oak“, der laut Betreibern ältesten Bar Englands, gibt es neben anderer typischer Pub-Kost auch das inoffizielle Nationalgericht des Vereinigten Königreiches – Fish and Chips.

Hin und her. Hin und her. Auch hin- und hergerissen, was heutzutage von der Kreuzfahrerei zu halten ist. Schmutzig, umweltschädlich, aus der Zeit gefallen, so das Image. Dem will MSC Cruises entgegenwirken. Die Euribia hat als zweites Schiff der Flotte einen Flüssigerdgas-Antrieb und auch sonst einige Einrichtungen, welche die Auswirkungen auf das sensible Ökosystem Meer reduzieren sollen. „Mit Blick auf die Zukunft ist klar: MSC Cruises soll bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen sein“, sagt Präsident Pierfrancesco Vago. Ob das klappt? Noch unklar. Hin und her. Auf hoher See und zwischen den Welten.

Das Schiff. Die MSC Euribia gehört mit einer Länge von 331 Metern und einer Höhe von knapp 74 Metern zu den größten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Angetrieben wird sie mit Flüssiggas.

Die Kosten. Sieben Nächte auf der MSC Euribia ab beziehungsweise bis Hamburg gibt es in einer Balkonkabine mit Getränkepaket „Easy“ und Hotelservicegebühr ab 883 Euro pro Person. Die Preise sind gültig zwischen November 2023 und März des kommenden Jahres.

Der Autor. Diese Reise unternahm der Redakteur auf Einladung von MSC Cruises.

2023-11-19T16:50:30Z dg43tfdfdgfd