WIE MAN AUF KRETA DEM MASSENTOURISMUS ENTKOMMT

Kreta gehört auch in diesem Sommer zu den beliebtesten Inseln der Urlaubenden aus Österreich. Lacht normalerweise noch im Juni der Schnee von den Berggipfeln des schroffen Eilands, erlebt Griechenland in diesem Jahr bereits die erste Hitzewelle. Bleibt zu hoffen, dass es bald abkühlt. Überlaufen wird die Mittelmeerinsel im Hochsommer trotzdem wieder sein – vor allem entlang der Nordküste. Doch es gibt auch dort Alternativen, um dem Massentourismus zu entkommen. Fünf Vorschläge für Entdecker:

1. Stille Buchten statt Hotelstrände

Wer zum Partymachen nach Kreta kommt, geht meist gleich im Norden ins Meer. Dabei sind die Strände im Westen viel fotogener, vor allem die von Balos und Elafonissi. Immer wieder tauchen sie in Ranglisten ganz oben auf. Das beschert ihnen aber an sonnigen Tagen einen bisweilen unschönen Touristen­ansturm. Das Fischerdorf Loutro dagegen liegt malerisch in einer halbmondförmigen Bucht, die noch immer einzig für Wanderer oder mit dem Boot erreichbar ist. Auch der Strand von Sougia, den einst Hippies für sich entdeckten, wurde bis heute noch nicht überrannt, obwohl man ihn mit dem Auto besuchen kann.

Wem das noch nicht entlegen genug ist, darf sich am Strand von Domata am Ende der Klados-Schlucht manchmal selbst im Hochsommer wie Robinson fühlen – oder passender: so einsam wie die schöne Königstochter Europa, die Zeus in Stiergestalt als ersten Menschen nach Kreta verschleppte.

2. Kultige Höhlen statt Knossos

Auf Kreta wurde vor mehr als 4000 Jahren die erste Hochkultur Europas geboren. Um die faszinierende Welt der Minoer zu entdecken, pilgern die meisten Touristen nach Knossos. Nicht selten kehren sie enttäuscht von der berühmten Ausgrabungsstätte zurück. Denn die zu Beginn des 20. Jahrhunderts teils aus Zement rekonstruierten Palastanlagen sind in der Hauptreisezeit chronisch überrannt.

Wer die wahre Magie der Minoer erleben will, macht sich auf zu den versteckten Höhlen und Berggipfeln, wo bereits um 2000 vor Christus geheimnisvolle Kulte stattfanden. Mindestens 26 Gipfelheiligtümer vor allem im Zentrum und Osten Kretas und mehr als ein Dutzend Höhlen, in denen bereits vor Jahrtausenden rituelle Handlungen stattfanden, haben Archäologen nachgewiesen. Viele lohnen wegen ihrer spektakulären Lage und ihrer mystischen Stimmung einen Besuch.

Die Höhle Skotino etwa eine halbe Autostunde westlich von Heraklion muss einst eines der wichtigsten Heiligtümer der Mi­noer gewesen sein. Im Licht der Stirnlampe ragen verwitterte Stalagmiten auf wie Tier­gestalten. Von den Höhlenwänden hängen gewaltige Stalaktiten. In einer unterirdischen Kammer soll sich einst ein Altar befunden haben. Forscher fanden hier rätselhafte Votiv­gaben aus Bronze und Keramik, die wohl bereits zur Frühzeit der minoischen Zivilisation den Göttern geopfert wurden.

3. Bergpfade statt Küstenstraßen

Wer auch immer die Menschen waren, die einst auf Kretas Berggipfeln ihren Göttern huldigten, sie hatten die Orte für ihre geweihten Stätten mit Sinn für Theatralik gewählt. Vom Gipfelheiligtum auf dem Juchtas etwa blickten die geheimnisvollen Minoer gleichzeitig auf das Ägäische Meer, das Dikti­gebirge im Osten und den Psiloritis im Westen, mit fast 2500 Metern der höchste Gipfel Kretas. Noch mächtiger und einsamer ist nur das Lefka Ori, die "Weißen Berge" jenseits davon.

Während die Sandstrände des Nordens vor allem zwischen Maleme und Agios Nikolaos in der Ferienzeit unter Massentourismus leiden, kann man dem Rummel mit dem Mietwagen schon in einer halben Autostunde ins gebirgige Inselinnere entfliehen. Hier warten einsame Bergpfade, wo Anemonen und Orchideen blühen und mancherorts allein das Zirpen der Zikaden die Stille verdrängt.

4. Dörfer statt Hafenstädte

Viele Kreta-Touristen bekommen von der Insel nicht viel mehr als ihre Hotelanlagen in der Nähe von Chania, Rethymno oder Heraklion zu sehen. Ausflüge beschränken sich oft auf deren Altstädte und Museen, die durchaus sehenswert, aber überfüllt sind. Wer die Kultur und Küche Kretas kennenlernen will, erkundet besser die traditionellen Dörfer im Inselinneren. In den Tavernen von Vamos, Meskla oder Theriso kostet man Myzithra- und Graviera-Käse der Berghirten des Lefka Ori, am besten mit einem Vidiano- und Romeiko-Wein eines lokalen Winzers.

In Theriso lernt man über den Aufstand unter dem kretischen Nationalhelden Elef­theros Venizelos um 1905, der zur Vereinigung der Insel mit Griechenland beitrug. Auf der anderen Seite der Weißen Berge, in Anopolis, bekommen Gäste traditionellen Malotira-Tee, den die Kräuterbauern in den Bergen ernten.

5. Aradena- statt Samaria-Schlucht

Wie Knossos gehört auch die Samaria-Schlucht zu den beliebtesten Zielen auf Kreta. Ohne Zweifel führt der wohl beliebteste Wanderweg der Insel durch eine überwältigende Felslandschaft. Doch oftmals bilden sich Menschenschlangen nahe der schmalsten Stelle, wo die Schlucht nur etwa drei Meter breit ist. In der Aradena-Schlucht, die etwas weiter östlich das Lefka-Ori-Gebirge durchschneidet, herrscht viel weniger Andrang und die Szenerie ist ebenso spektakulär. Bisweilen kann man über den steil aufragenden Felswänden Gänse- und Bartgeier kreisen sehen. Aber Achtung: Jede Schlucht auf Kreta bei Hitze zu durchwandern, kann lebensgefährlich sein!

Am Ende dieser Schlucht wartet immerhin eine der schönsten Tavernen Kretas mit Blick auf die idyllische Strandbucht von Marmara. Dort können sich die verschwitzten Wanderer bei einem Bad im türkisblauen Libyschen Meer abkühlen. Doch es sei noch einmal gesagt: Bei einer Wanderung durch karge Landschaft ohne Schatten muss bei einer Hitze­welle immer gelten: Besser sein lassen! (Win Schumacher, 23.6.2024)

2024-06-23T08:14:07Z dg43tfdfdgfd