WIE ITALIEN DES TOURISTENANSTURMS IM SOMMER HERR WERDEN MöCHTE

In Italien könnte es in der kommenden Sommersaison richtig voll werden. Glaubt man einschlägigen Prognosen, wollen das Land heuer schätzungsweise 61 Millionen Ausländerinnen und Ausländer als Urlaubsziel wählen, darunter jede Menge Touristinnen und Touristen aus Österreich. Schon mehren sich die Stimmen im Nachbarland, die vor einem Kollaps warnen. Die ersten Städte und Regionen haben Maßnahmen ergriffen, andere prüfen laut einem Bericht der Tageszeitung "La Repubblica" Regelungen, um des Ansturms, der sich für die nächsten Wochen und Monate ankündigt, irgendwie Herr zu werden.

Strandzugang reglementiert

Die enormen Touristenströme führten bereits in der Vergangenheit zu Gedränge auf den Stränden, Sachschäden und jeder Menge Müll und machten Einheimischen das Leben schwer. In seinem diesjährigen Bericht hat Italiens Umweltverband Legambiente 961 Stück Abfall pro 100 Meter Strand gezählt, davon 72,5 Prozent aus Kunststoff. Viele Gemeinden und Ferienorte wollen dem Treiben durch strengere Regeln Einhalt gebieten. 

In Sardinien zum Beispiel hat man schon vor einigen Jahren damit begonnen, den Zugang zu bestimmten Stränden zu reglementieren. Am weißen Sandstrand La Pelosa im Nordwesten der Insel etwa ist die Besucherzahl auf 1.500 begrenzt. Außerdem müssen Urlauberinnen und Urlauber während der Sommermonate Eintritt zahlen. 3,50 Euro kostet ein Ticket für Erwachsene. Für Kinder bis zwölf Jahre ist der Zugang zum Strand kostenfrei.

Wer es bis zum Strand geschafft hat, muss sich an strenge Regeln halten: Wie auf der Website von La Pelosa zu lesen ist, ist es verboten, Sand, Muscheln und Steine mitzunehmen, Abfälle zu hinterlassen, zu rauchen und Shampoo zu benutzen. Außerdem muss der Sand an den Füßen vor dem Verlassen des Strandes abgewaschen werden, und unter das Strandtuch muss eine Matte gelegt werden. So will man auch dem Verlust des wertvollen Sandes vorbeugen. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit einer Strafe von bis zu 100 Euro rechnen.

Eintrittsgebühr

In die Buchten von Cala dei Gabbiani und Cala Biriala dürfen jeweils nur 300 Personen pro Tag, in die Bucht von Goloritze 250. Der größte Strand der Region ist die Cala Mariolu, wo nur noch 700 Personen das Mittelmeer genießen dürfen. Touristen müssen ihren Platz am Strand mindestens 72 Stunden vorher über eine App buchen. Die zu bezahlende Gebühr soll die Instandhaltung der Infrastruktur rund um die Strände finanzieren.

Einschnitte für Touristen und Besucher plant auch die Regierung der Insel Lampedusa, wie die Zeitung "Il Mattino" schreibt. Dort soll es zwischen Juli und Anfang September 2023 verboten sein, für einen Zeitraum von 40 Tagen mit dem Auto oder dem Moped auf die Insel zu kommen. Dies gilt für alle, die nicht auf der Insel leben. Auf der Insel Linosa soll das Verbot sogar den gesamten Sommer lang gelten. "Es gibt etwa 6.700 Einwohner, und letztes Jahr hatten wir mehr als 200.000 Ankünfte, also haben wir entsprechende Maßnahmen vorbereitet, um die Ströme zu bewältigen", sagte Bürgermeister Filippo Mannino der Zeitung.

Auch auf der Insel Giglio in der Toskana sollen 2023 Beschränkungen für Fahrzeuge gelten. Allerdings nicht ganz so strenge wie im Süden. Wie die Touristeninformation auf ihrer Website mitteilt, müssen Urlauberinnen und Urlauber, die mit einem Auto oder einem Motorrad auf die Insel reisen wollen, mindestens vier Nächte lang bleiben. Außerdem muss vor der Ankunft eine Selbstauskunft ausgefüllt werden. Wie unter anderem das Portal "Guida Viaggi" berichtet, sollen Urlauberinnen und Urlauber zudem eine Eintrittsgebühr zahlen müssen: im Winter zwei Euro pro Person, im Sommer drei Euro.

Die kleine Insel Procida im Golf von Neapel ist der Inbegriff von italienischem Flair. Sie gilt zwar noch als Geheimtipp, ist mit 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aber die am dichtesten besiedelte Insel Europas. In der Urlaubssaison wird es hier häufig ganz schön eng. "Wir haben bis zu 600.000 Besucher, die kommen. Und sei es nur, um einen Spaziergang zu machen", berichtet Bürgermeister Dino Ambrosino dem Fernsehsender tg24.sky.it. Deswegen dürfen auf der Insel zwischen 1. März und 31. Dezember keine Privatfahrzeuge mehr fahren, die außerhalb der Region gemeldet sind.

Kein Durchkommen

Fahrverbote gibt es auch entlang der Amalfiküste. Die Amalfitana südlich von Neapel gilt als eine der beliebtesten Touristenstraßen. Im Sommer bricht dort regelmäßig das Verkehrschaos aus. Für Wohnmobile und Wohnwagen gilt schon seit Jahren in der Hauptsaison an dem rund 40 Kilometer langen Abschnitt zwischen Vietri sul Mare und Positano ein zeitweises Fahrverbot. Seit dem vergangenen Sommer ist die Straße zeitweise auch für normale Autos gesperrt.

An allen Wochenenden von Mitte Juni bis Ende September und an allen Tagen im August dürfen an geraden Tagen Autos mit geraden Endziffern auf dem Nummerntaferl tagsüber nicht fahren. An ungeraden Tagen dürfen Autos mit ungeraden Endziffern am Kennzeichen nicht fahren. So soll der Verkehr reguliert werden, wenn die Touristenscharen an die Küste strömen.

Die kleinen Orte rund um den Comer See im Nordosten Italiens wurden zu Ostern von Touristinnen und Touristen überrannt, was nicht nur zu Warteschlangen vor Restaurants und voll belegten Stränden geführt hat: Wegen der verstopften Straßen konnten italienische Pendlerinnen und Pendler ihre Arbeitsstätten in der Schweiz nicht erreichen. Es gab kein Durchkommen, wie die Tageszeitung "La Stampa" berichtet. Um solche Zustände im Sommer zu vermeiden, wird jetzt nach einer Lösung gesucht. So forderte der Bürgermeister von Tremezzina, Mauro Guerra, die Verwaltung auf, stärker in die Verkehrsströme einzugreifen. "Es ist wichtig, außerordentliche Bestimmungen für das Verbot oder die Beschränkung des Schwerverkehrs zu erlassen, vor allem für Reisebusse, aber auch in Bezug auf Fahrzeuge wie Lastkraftwagen, Sattelschlepper und so weiter", heißt es laut "La Stampa" in einer entsprechenden offiziellen Mitteilung.

Auch manche Hotspots in Südtirol leiden unter dem Touristenverkehr, auch hier werden Maßnahmen ergriffen. Auf südtirol.com ist nachzulesen, dass die Zufahrt zum Pragser Wildsee vom 10. Juli bis zum 20. September für den Individualverkehr gesperrt sein wird. "Dann ist das Tal nur zu Fuß, mit dem Rad, gegen Vorweis einer Parkplatzreservierung oder einer gültigen Durchfahrtsgenehmigung erreichbar", heißt es auf der Homepage. Der Zugang zur Seiser Alm ist tagsüber ebenfalls für private Fahrzeuge mit Ausnahme von Einheimischen und Gästen mit Hotelreservierung gesperrt.

Betten-Obergrenze

Südtirol habe "die Grenze dessen erreicht, was es ertragen kann", sagte Arnold Schuler, der für den Tourismus in der Region zuständig ist, dem US-Sender CNN. Um den Overtourism zu bekämpfen, begrenzt Südtirol die Anzahl der Betten auf das Niveau von 2019. Knapp 23.000 Betten wurden für 2019 offiziell registriert. Bis 30. Juni können Eigentümerinnen und Eigentümer von Unterkünften den Behörden melden, wie viele Personen sie in dem Jahr tatsächlich untergebracht haben. Auf dieser Grundlage wird dann eine Obergrenze an Betten festgelegt, die nicht überschritten werden darf. Wer eine neue Unterkunft eröffnen möchte, muss warten, bis eine andere schließt und die Plätze neu verteilt werden. 

Jüngst machte auch die Meldung die Runde, dass sich Portofino gegen das touristische Chaos wehre. Vor allem jene Reisenden sind den Einwohnerinnen und Einwohnern des ehemaligen Fischerdörfchens ein Dorn im Auge, die nur kommen, um ein Foto zu knipsen, und dabei für Staus in den engen Gassen der malerischen Ortschaft sorgen. Die Lösung kam in Form einer Verordnung kurz nach dem ersten Urlauberansturm um die Osterfeiertage: Zwischen dem Stadtkern und den Stränden gibt es zwei "rote Zonen". In diesen darf man als Touristin oder Tourist tagsüber bis 18 Uhr nicht mehr stehen bleiben. Wer es dennoch tut, riskiert eine Strafe von 65 bis 275 Euro. (max, 6.6.2023)

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