RUSTIKALE RENOVIERUNG: SO BEKAM EIN DUNKLES KLEINES STADTHAUS IN PORTO VIEL LICHT, GRüN - UND LäSSIGEN CHARME

Homestory

Nachhaltige Renovierung in Porto: So schuf sich der Architekt François Leite mitten in der Stadt ein 60-Quadratmeter-Haus mit urig-modernem Ambiente.

Dieser charmante Umbau liegt im portugiesischen Porto in einem aufstrebenden Stadtteil, der einst ein Armenviertel war. „Mein Vater ist portugiesischer Abstammung, und als ich das Haus gekauft habe, wollte ich an meine Wurzeln väterlicherseits anknüpfen“, erklärt der Architekt François Leite, der mit seinem Atelier François Leite Architecture in Paris und Porto ansässig ist. „Ich bin auf dieses Haus gestoßen, das vor einigen Jahren schlecht und ohne Genehmigung renoviert worden war. Ein sehr dunkles Haus, ohne besondere Vorzüge …“ Bei seinem ersten Besuch entdeckte der Architekt im winzigen Garten hinter dem Haus jedoch einen kleinen Urwald mit Lianen und vielen anderen grünen Pflanzen, aus dem sogar ein Fels herausragt – er war sofort Feuer und Flamme. Von diesem Moment an startete Leite mit der Planung der Renovierungsarbeiten, was „ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm, da es besonders knifflig ist, wenn es sich um das eigene Zuhause handelt“, so der Architekt. Vor allem aber war es für François Leite die Gelegenheit schlechthin, seine persönlichen Vorstellungen von Wohnen und architektonischer Gestaltung umzusetzen – „aber sonst nichts weiter“, scherzt er.

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er bereits seit zehn Jahren in einem Stadtplanungsbüro, das sich mit deutlich umfassenderen Projekten beschäftigte. „Es war der Moment gekommen, in dem ich mich mit einem experimentelleren und ‚robusteren‘ Ort konfrontiert sah, in dem Sinne, dass die nachhaltige Entwicklung an der Energiegewinnung, den für die Renovierung verwendeten Materialien und der Zukunftstauglichkeit dieses Ortes gemessen wird; Letzteres hängt wiederum von der Flexibilität der Räumlichkeiten ab.“ Er konzipierte das Haus deshalb als einen Ort zum Wohnen und Arbeiten, in dem aber auch Ausstellungen junger Künstler:innen gezeigt werden können. Auch an die Menschen, die dort in naher und auch fernerer Zukunft leben werden, wurde bei den Planungen bereits gedacht – damit nicht allzu bald erneut umgebaut werden muss. Die Lösung sind offene, modulare Räume, aber auch das Einplanen von zusätzlichen Wasser- oder Stromversorgungspunkten. „Oft stelle ich mir ein Haus als potenzielle Galerie vor, als einen Ort für Partys oder Kunstveranstaltungen, der auf eine ganz andere Art und Weise wahrgenommen werden kann“, sagt François Leite. Mit diesem weitsichtigem und offenen Ansatz widmete sich auch dem Renovierungsprojekt in Porto, das mit seinem rustikalen und natürlichen Flair überzeugt.

&

Ein felsiger Innenhof für rustikal-charmantes Flair

Der erste Schritt der Renovierung bestand darin, einen kleinen Innenhof aus Stein und Pflanzen anzulegen, der dem zweigeschossigen Gebäude einen gewissen Charme verleihen sollte. Die ursprüngliche Struktur behielt François Leite bei, so veränderte er weder das Dach noch die Fassade. Als der Architekt den Felsen im Innenhof freilegte, stellte er fest, dass dieser nicht nur enorm groß ist, sondern auch von einer eindrucksvollen Trockenmauer überragt wird, die das höher gelegene Gelände hinter dem Haus stützt. Diese befindet sich wiederum auf einem alten Granitsteinbruch, der für den Bau der Kirche gleich nebenan genutzt wurde. Das Gebäude ist eine sogenannte „Ilhas“, eine der typischen Arbeiterunterkünfte, die im 19. Jahrhundert in Porto gebaut wurden und für gewöhnlich über einen offenen Durchgang verfügten, der sich von der Straße aus bis zum Ende des Grundstücks erstreckte. Durch die Umbauarbeiten des Vorbesitzers wurde dieser Gang überdacht und somit Teil des Interieurs. Auf diese Weise konnten einige Quadratmeter dazu gewonnen werden, wodurch die Wohnfläche nun knapp 60 Quadratmeter beträgt.

&

Mehr Licht für das dunkle Stadthaus

Um Licht in das Innere des Hauses zu holen, wurde die Ziegelmauer zum Innenhof hin durch ein riesiges Panoramafenster mit Schiebefunktion ersetzt. Die Konstruktion basiert auf einer großen Betonstütze und drei Pfeilern und ermöglicht einen herrlichen Blick auf den Felsen und das Grün des Gartens. Um eine Verbindung zwischen Außen und Innen zu schaffen, entwarf François Leite eine Sitzbank aus Terrazzo, die unmittelbar an die Fensterfront grenzt und den kleinen Garten optisch verlängert. Sie erinnert an die in Japan verbreiteten schmalen Terrassen – bekannt als „Engawa“ – die sich außen entlang der traditionellen Wohnhäuser erstrecken – ein schöner Ort, um zur Ruhe zu kommen, sich zu entspannen und die Natur zu genießen.

Der Rest des großzügigen Wohnbereichs wurde von dem Architekten neu gestaltet, wobei ein Highlight die freigelegte Steinmauer ist, hinter der sich der ehemals offene Durchgang, der heute zusätzlichen Wohnraum bietet, befindet. „Die Mauer besteht nicht aus Ziegel, sondern aus Granit, der unter mehreren zentimeterdicken Schichten von Fliesen und Zement versteckt war und zum Vorschein gebracht wurde.“ Die Freilegung der Mauer glich einer „fast schon archäologischen“ Ausgrabung, die zum Ziel hatte, die „Seele des Hauses“ offenzulegen. Daraufhin wurden auf traditionelle Weise Zwischenräume mit kleinen Steinen aufgefüllt und die Fugen mit einer Mischung aus Kalk und Lehm neu verschlossen. Der Architekt entschied sich, alle Strukturen, die nicht aus Stein waren, zu entfernen, um in den Räumlichkeiten eine leichtere und luftigere Atmosphäre zu schaffen.

&

Altes zu neuem Leben erwecken

Der Wohnbereich umfasst neben der großen Sitzbank in Richtung Garten auch eine offene Küche, die sich auf der gegenüberliegenden Seite befindet und auf die Straße blickt. Dazwischen liegen der Essbereich und die Treppe, die zum Schlafzimmer im Zwischengeschoss hinaufführt. Die schlichte, in Weiß gehaltene Küche zeichnet sich durch einen minimalistischen Stil aus und verfügt über eine Arbeitsplatte und eine Rückwand aus portugiesischem Marmor. Für den Boden und die Sitzbank setzte Leite Beton ein, in den weiße Kiesel gestreut werden, wodurch ein widerstandsfähiger, brutalistisch wirkender Terrazzo entsteht.

Der ursprüngliche Durchgang, der einst von der Straße zum geschlossenen Innenhof führte, ist durch die Granit-Mauer vom restlichen Wohnbereich abgetrennt und verfügt über zwei verspiegelte Türen, die die Treppe flankieren: die hintere, auf der Höhe der Küche, führt in eine kleine Toilette und eine Waschküche. Über die vordere Tür gelangt man in ein größeres Badezimmer mit Dusche, das zum Garten hin geöffnet werden kann – ganz im Stil einer Outdoor-Dusche. Für den Boden und die Sockelleiste im Badezimmer wurde derselbe Terrazzo wie im Wohnzimmer verwendet, wobei der Architekt für die Wände mintgrüne Fliesen wählte. Die beidseitig verspiegelten Türen mit Stahlrahmen verleihen dem sonst rustikalen Wohnbereich eine zeitgenössische Note und lassen sich in beide Richtungen öffnen – dabei spiegelt die Badezimmertür den Innenhof wider, wenn sie zum Wohnzimmer hin geöffnet wird.

&

Ein Spiel aus Licht und Schatten in einem eklektischen Interieur

Eine Besonderheit lässt sich an dem ausgebauten Dachstuhl feststellen: Das Zwischengeschoss aus weiß gestrichenen Betonträgern grenzt weder an die Rückwand der Küche, noch an die des großen Wohnzimmer-Fensters. Aus diesem Grund ergibt sich an den gegenüberliegenden Seiten des Wohnbereichs eine doppelte Raumhöhe, was das Licht besser zirkulieren und den Raum insgesamt größer wirken lässt. Der Effekt wir dank der weißen Wände, die das Tageslicht aus Küche und Innenhof reflektieren, noch verstärkt.

Die gesamte Einrichtung wurde auf Flohmärkten oder bei Antiquitätenhändler:innen in Porto erworben: So entschied sich der Architekt beispielsweise für einen Stuhl von Alvar Aalto, einen brasilianischen Marmor-Couchtisch, altes portugiesisches Geschirr, eine gläserne Vintage-Hängeleuchte von Helena Tynell und Heinrich Gantenbrink für die Küche und einen Midcentury-Bürostuhl. Das Ensemble wird ergänzt durch kleine Collagen von Serena Barbieri und eine Vase und eine Skulptur von Victor Marqué – zwei Künstler:innen, deren Atelier nicht weit vom Haus entfernt liegt – sowie eine Terrakotta-Skulptur, die François Leite selbst angefertigt hat. Neben den zahlreichen Elementen aus Granit und Beton finden sich auf beiden Etagen auch einige Möbel aus Holz, wie zum Beispiel das Regalsystem im Schlafbereich, oberhalb des Wohnzimmers. Es dient als eine Art Geländer: Dank des offenen Designs strömt das einfallende Licht des Innenhofs auch in das Zwischengeschoss. Und ob man es nun Minimalismus oder Brutalismus nennt – François Leite ist es auf jeden Fall gelungen, mit wenigen klaren Interventionen die Seele dieses kleinen charmanten Stadthauses zu wahren und hervorzuheben.

&

Entdecken Sie weitere Details des Stadthauses in Porto:

Styling: Marion Di Rodi

Zuerst erschienen bei AD France.

&

2024-07-05T09:59:15Z dg43tfdfdgfd